Art After Work #25
in unserem Kundencenter
THE TOWER -
Ein fotografischer Bilderzyklus
von Martin Wolf Wagner
In Martin Wolf Wagners Fotoserie „THE TOWER“ ist das titelgebende Gebäude der Ankerpunkt für die Spektakel von Natur und Kosmos, die sich darüber abspielen. Winzig ist das Bauwerk am Horizont im unteren Bildbereich platziert - eine periphere Erscheinung und damit ganz das Gegenteil dessen, was Türme normalerweise sind: auf Effekt angelegte Landmarken.
Der zutiefst menschliche Wettstreit um das höchste Gebäude ist schriftlich spätestens bezeugt seit dem Alten Testament und dessen Bericht vom Turmbau in Babylon. Im selben Kulturraum wird das Streben nach Höhe bis heute emporgetrieben auf Werte jenseits eines Kilometers über der Wüste von Dubai. An solchem Gehabe haben Wagners Bilder kein Interesse. Sein Turm ist klein, aber bedeutsam. Stets an derselben Stelle im Bild, fungiert er als Kompassnadel oder erinnert an einen Finger, der auf das Firmament weist.
Dort oben spielt sich ab, worum es dem Fotokünstler geht: Wolken, Sterne, Zirkulation, Atmosphäre, das Fließen der Zeit - das Alles grenzt an die Sphäre der Unendlichkeit. Die Faszination dafür zieht sich durch viele Arbeiten von Martin Wolf Wagner. Er vermag es, völlig unscheinbare Landschaften in magisch anmutende Lichtbilder zu verwandeln.
Dafür muss der Fotokünstler nicht immerfort um die halbe Welt reisen. Statt Death Valley, isländischer Vulkane oder australischem Outback erkundet er, wie auch in einigen seiner früheren Serien, die Gegend vor seiner Haustür. Technischen Bombast wie Drohnen oder anderes zeitgeistiges High-Tech-Equipment braucht er nicht; stattdessen eher festes Schuhwerk und vor allem Geduld.
Gerade einmal 2 km Luftlinie von seinem Wohnort baute er über einen Zeitraum von 14 Monaten die Kamera am immer gleichen Standpunkt auf: Zwei Stativbeine auf Zimmermannsnägeln, die er zu Beginn des Projektes tief in den Ackerrand trieb, das dritte auf einer Farbmarkierung des Feldwegs. Über den übrigens auch bei Nacht so manches brettert, vom Mähdrescher bis zum wutschnaubenden Freizeitradler, der dem fotografierenden Hindernis prompt Prügel androhte.
Zum Meditieren kam der Fotokünstler also nur bedingt, selbst wenn die Belichtungszeiten einige Stunden erreichten, in denen er seinen Apparat bewachen musste. Wir mittelbare Augenzeugen haben es leichter. Ohne kalte Füße oder wochenlanges Warten auf Nebel dürfen wir uns dem Gedankenfluss hingeben, den diese minimalistischen, kontemplativ geprägten Bilder evozieren – ein fernes Leuchten, gewidmet jener unerschöpflichen Quelle des menschlichen Staunens: dem Himmel über uns.
Andreas Langen
Gefördert wurde das Projekt THE TOWER mit einem Stipendium des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.